Schwamendingen
Früheste Zeugen
Der Zürcher Chronist Friedrich Vogel charakterisiert das Bild des Dorfes Schwamendingen im Jahre 1820 wie folgt: «Das Dorf Schwamendingen, welches etwa zwanzig Wohnhäuser zählt, liegt am linken Ufer der Glatt, über welche eine gedeckte Brücke, die sogenannte Aubrücke führt, an der grossen Strasse von Zürich nach Winterthur.»
Dieser Lage an einer wichtigen Hauptstrasse hatte Schwamendingen während Jahrhunderten seine Bedeutung zu verdanken. Und es ist nicht erstaunlich, dass die frühesten Zeugnisse menschlichen Lebens im Gebiet von Schwamendingen alle in der Gegend der Aubrücke gefunden wurden.
Es handelt sich um ein Steinbeil aus der jüngeren Steinzeit (4. Jahrtausend bis ca. 1800 v.Chr.), zwei reichverzierte Gewandnadeln von zwanzig und dreissig Zentimetern und eine verzierte Lanzenspitze von 27 Zentimeter Länge. Gewandnadeln und Lanzenspitze sind aus Bronze gefertigt und stammen aus der späteren Bronzezeit (12. Jahrhundert bis Anfang 8. Jahrhundert v.Chr.). Alle diese Funde befinden sich im Schweizerischen Landesmuseum, mit naturgetreuen Kopien im Ortsmuseum Schwamendingen. Ihre Fundorte lassen vermuten, dass sich dort, wo während Jahrhunderten die Strasse von Zürich nach Winterthur über die Glatt führte, schon in frühester Zeit eine Furt befunden hat.
Das früheste Zeugnis einer menschlichen Niederlassung ist der Name «Schwamendingen» selber. Die Endung «-ingen» lässt auf eine frühe alemannische Besiedelung schliessen. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts drangen die Alemannen von Norden bis an den Rhein vor, und um 260 brachen sie vorübergehend über über den Rhein in die römische Schweiz ein. Doch gelang es nochmals, sie aufzuhalten. Die zur Zeit des Kaisers Diokletian (285–305) erbauten Kastelle von Irgenhausen, Oberwinterthur und Burg bei Stein am Rhein wie auch das siebzig bis achtzig Jahre später angelegte System der Grenzwachtürme vermochten die römische Herrschaft nochmals vorübergehend zu sichern. Seit dem Abzug der römischen Truppen um 400 lag das Land jeder Invasion offen, doch die Besitznahme durch die Alemannen hat wohl frühestens in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts eingesetzt. Damals mag sich der erste «Schwamendinger» in unsere Gegend niedergelassen haben, denn die Endung «-ingen» findet sich zumeist in Verbindung mit dem Namen eines alemannischen Ansiedlers jener Zeit. Sie bezeichnet die Sippe des Hofinhabers. Ob es sich bei diesem Alemannen um einen «Suamun», «Suamund» oder «Suabmund» gehandelt hat, ist nicht mehr zu ermitteln.
Der erste namentlich bekannte Besitzer des Gebietes von Schwamendingen war der Alemanne Picho, von dem wir aber nicht wissen, in welchem Jahrhundert er lebte. Im grossen «Rotulus» des Grossmünsterstiftes, einer Pergamentrolle aus dem 9. oder 10. Jahrhundert, sind Anordnungen aufgezeichnet, die Kaiser Karl (Karl der Grosse oder Karl der Dicke?) über das Chorherrenstift und dessen Ökonomie machte. Dieses Pergament, das auch spätere Besitzerweiterungen aufzählt, enthält die Feststellung, dass der genannte Picho, Sohn des Ertilo, zu seinem Heil dem Grossmünster alles vermachte, was er in Schwamendingen besass:
«Sodann gab Picho, der Sohn des Ertilo, für sein eigenes und aller seiner Vorfahren Seelenheil zum Unterhalt der Brüder (des Grossmünsters), was er bekanntermassen in Schwamendingen und in jener Gegend auf den Höhen und in den Tälern besitzt, als dauernden Zuwachs.»
Im Jahr 915 muss der Hof Schwamendingen bereits zehn Wohnhäuser gezählt und auch die Ziegelhütte soll schon bestanden haben. Ums Jahr 1000 bestand der Hof aus 10 1/2 Huben und 6 Schuppissen nebst einem Widumgut. (1 Hub = 20–25 Jucharten, 1 Schuppos = 10–15 Jucharten) Noch heute heisst ein Landkomplex an der Dübendorfstrasse «in der Schuppis», der Name «Hube» ist in der noch bestehenden Hubgenossenschaft enthalten. Die «Widum» war das vom Grundherrn der Kirche «gewidmete» und vom «Widmer» bebaute Gut.
1306 hiess das Dorf Suabendingen, 1331 Swabendingen, um 1400 Zwamendingen, 1443 Svamendingen, und ab 1523 ist die heutige Schreibweise fast durchwegs gebräuchlich.
Um 1400 lebten in Schwamendingen etwa siebzig Personen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ist die Zahl der Stuben (Einzelhöfe) mit vierzehn angegeben, zu denen noch 52 «Tauner» kamen. Diese unterschieden sich von den Bauern durch den Besitz. Der Vollbauer arbeitete mit einem ganzen Zug Vieh (vier Haupt), der Tauner in der Regel nur mit der Hacke. Er besass wenig oder gar kein Land, deshalb wurde er später auch der Handwerker zu den Taunern gezählt.