Die St. Niklauskirche

St. Niklauskirche und Schwesternhaus Am 17. Oktober 1270 ersuchte Heinrich Manesse, Propst am Grossmünster, den Bischof von Konstanz um Erhöhung der Vice-Leutpriesterzahl und um neue Festsetzung der Pfarrer-Einkünfte. Aus diesem Gesuch geht hervor, dass der Pfarrer des Grossmünsters schon damals Einkünfte aus der Schwamendinger Widum hatte. Wie schon erwähnt, war eine Widum das zur Kirche gehörige Gut, aus dem der Geistliche besoldet wurde. Das Bestehen einer Widum setzte also auch das Bestehen einer Kirche voraus. Die Schwamendinger Kirche, die dem heiligen Niklaus gewidmet war, kann also schon viel früher bestanden haben. Sie war von Anfang an ein Filialhaus des Grossmünsterstiftes, Der Kirchendienst wurde von Zürich aus versehen. Das Absteigequartier des vom Grossmünster entsandten Leutpriesters befand sich im Kehlhof, wo dem Pfarrer zwei Stuben zur Verfügung standen.

Ursprünglich hielten die Chorherren des Grossmünsters in Schwamendingen wie in allen übrigen Filialgemeinden in regelmässigem Turnus Gottesdienst. Später setzten sie einen Leutpriester ein, der in verschiedenen Gemeinden Gottesdienste zu leisten hatte. Da die Filialgemeinden des Chorherrenstiftes ständig wuchsen, wurden dem Leutpriester «Vice-Leutpriester» beigegeben, die hauptsächlich in den Aussengemeinden zu wirken hatten.

Üblicherweise bestand der Gottesdienst in den Filialgemeinden nur aus dem Lesen der Messe. Die Predigten blieben der Mutterkirche in der Stadt vorbehalten, die auch an wichtigen kirchlichen Feiertagen die gottesdienstlichen Funktionen allein ausübten. So konnte sie die Gläubigen jedes Jahr mehrere Male in ihren Mauern versammeln.

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Die Kirche von Schwamendingen mit dem Turm vor 1889

Über die bauliche Entwicklung der St. Niklauskirche, die heute noch steht, sind wir gut informiert. Sie muss als Filialkirche des Grossmünsters wohl schon sehr früh einen Dachreiter besessen haben, der dieses Haus als kirchliches Gebäude vor allen anderen auszeichnete. 1461 stiftete die Stiftsverwaltung für die Kirche eine Glocke mit der Inschrift «Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum» und vergabte derselben gleichzeitig die «Felwer», später «Kilchhuob» oder «Pfarrei», welche an der Bocklerstrasse stand und 1926 abbrannte.

Einen Dachreiter auf der Schwamendinger Kirche zeigen auch der Murer-Plan von 1566 und die Gygersche Kantonskarte von 1667.

Aus dem Jahr 1674 ist ein Pergament erhalten, das von einer Erneuerung des Chors, des Turms und des Dachgestühls berichtet. 1777 wurde der Kirchturm neu beschlagen und eine neue «Zeittafel» wurde angebracht.

An Umbauten und Renovationen sind folgende Daten erwähnenswert: 1602 bekam die Kirche einen neuen Taufstein, der 1885 wieder entfernt wurde und heute im Ortsmuseum Schwamendingen steht. 1674 wurde «das Chor vom Grund neüw ufgeführt, die Kirchenmuren verbesseret und auch fast neüw gemacht, durch Meister Jakob Gunten den Zimbermann von Wangen». 1860 wurde der Kirchturm erneuert. 1877 bekam er vier neue Glocken, die in der Glockengiesserei Keller in Unterstrass gegossen worden waren.

Ein Jahrzehnt später erklärte die Kirchenpflege, dem Turm sollte aus Schönheitsgründen ein anderer Helm aufgesetzt werden, was auch deswegen wünschenswert sei, weil die jetzigen eigentümlichen halbrunden Schalllöcher das schöne harmonische Geläute nicht zur vollen Geltung bringe. Im Protokoll der Kirchenpflege vom 16. Januar 1889 wird der Turm geradezu als hässlich bezeichnet, und am folgenden 3. März heisst es: «Nach der vorgelegten Skizze würde der Turm um ca. sieben Meter erhöht. Die Pflege findet, dass er im Verhältnis zum eigentlichen Kirchengebäude zu hoch wäre.» Schon eine Woche später lag ein ausgearbeiteter Plan vor, der am Missverhältnis zwischen Turm und Gebäude nichts änderte. Trotzdem beschloss die Kirchgemeindeversammlung am 7. April 1889 die Umgestaltung des Kirchturms im Sinne des vorliegenden Projekts. Die Begründung der Pflege, der neue Turm wäre ansehnlicher und mit seiner Schieferbedachung auch solider als der bisherige, scheint den Ausschlag gegeben zu haben. Von Bedenken wegen der übertriebenen Höhe und Schwere des Turms wurde im Protokoll nichts vermerkt.

Im folgenden Jahre wurde der alte, mit Schindeln beschlagene Dachreiter abgetragen und ein neuer, sieben Meter höherer Turm aufgerichtet und mit Schiefer bedeckt. Aber schon 1924, anlässlich der letzten grossen Kirchenrenovation vor 1976, erwies sich eine Verstärkung des Turmunterbaus als unumgänglich. Der Innenraum der Kirche war ursprünglich vollständig ausgemalt mit Fresken, von denen einige Fragmente bei der Renovation von 1885 zum Vorschein kamen. Sie stellten Szenen aus dem Leben Jesu dar, das Jüngste Gericht sowie die heiligen Christophorus und Nikolaus von Myra, dem die Kirche geweiht war. 

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Die Kirche von Schwamendingen heute
Leider wurden diese Fresken damals wieder zugedeckt und später bei weiteren Bauarbeiten bis auf ganz kleine Reste zerstört. Erhalten sind uns lediglich einige Skizzen auf Notizpapier, die der damalige Schwamendinger Pfarrer Steinmann erstellt hatte, sowie eine ausführliche Beschreibung durch Prof. Rahn im Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, Nr. 3, vom Juli 1885.

Dass auch in nachreformatorischer Zeit die Schwamendinger Kirche nicht unbedeutend war, zeigt die lange Liste namhafter Pfarrherren, die hier amteten. Unter ihnen seien Zwinglis Schwiegersohn Rudolf Gwalter (1541–1542), der frühere Hofprediger des Pfalzgrafen von Zweibrücken, Johann Rudolf Zeller (1668–1670), Heinrich Pestalozzis Grossvater, Andreas Pestalozzi (1716–1726) und das spätere Mitglied der Generaldirektion der SBB, Julius Schmid (1869–1873), als besonders bemerkenswerte Gestalten herausgegriffen.

1872 wurde die Kirchgemeinde Schwamendingen-Oerlikon selbständig, doch die Verbindung der beiden ungleichen Dörfer zu einer Kircheneinheit war nicht immer glücklich. Der Grund lag im industriellen Aufschwung Oerlikons, der mit dem Bau der Eisenbahn einsetzte, während Schwamendingen als etwas abgelegenes Bauerndorf mehr und mehr in den Rückstand kam. Die Bevölkerungszahl in Oerlikon nahm sprunghaft zu, und der Kirchenbesuch in Schwamendingen war vielen zu mühsam. Trotzdem vermochte die Kirche an schönen Sonntagen und zu besonderen Gottesdiensten die Kirchgänger kaum mehr zu fassen.

Der Bau der heute noch bestehenden Oerlikoner Friedhofkapelle (Einweihung im November 1891) brachte vorerst eine Entlastung, und die Einweihung der Oerlikoner Kirche am 5. April 1908 machte die beiden Gemeinden räumlich voneinander unabhängig. Aber der Zusammenhang der einstigen Doppelgemeinde Schwamendingen-Oerlikon blieb in kirchlichen Dingen noch über die Eingemeindung hinaus bestehen. Die Kirchenpflege und die Pfarrherren wurden gemeinsam gewählt, und ihre Tätigkeit erstreckte sich auf beide Dörfer. Erst 1946 erfolgte die Trennung in zwei selbständige Kirchgemeinden. Der starke Bevölkerungszuwachs Schwarnendingens hat seither verschiedene Neubauten und die seelsorgerische Aufteilung der Gemeinde in einzelne Sprengel nötig gemacht.

Die Römisch-Katholiken  erhielten 1950 an der Dübendorferstrasse eine dem irischen Glaubensboten Gallus geweihte Kapelle und sieben Jahre später die dicht daneben stehende Galluskirche. Auch andere religiöse Gemeinden bauten in den letzten Jahren in Schwamendingen ihre Gottesdienstlokale.